Reihe „Nora, die Spiritualität und ich“: Die Krippeneingewöhnung: Lachen und Selbständigkeit treffen Tränen und alte Verlustangst
Phase 1: Alles neu und spannend – das macht Spaß
Seit erstem September durchlaufen Nora und ich den Prozess der Eingewöhnung in die Kindergrippe. Die ersten acht Tage lief alles wunderbar – die neue Umgebung mit den vielen, tollen Spielsachen, die herzliche Erzieherin, die zu Beginn fast ständig Zeit hatte. Nora ließ mich schon nach zwei Tagen für eine Stunde weg und wollte beim abholen kaum mehr mit nach Hause gehen. Neugierig tobte sie im Hängesessel, spielte mit den Puppen und machte fleißig Puzzle. Ich freute mich über ihr Lachen und meine Stunden für mich. Daheim erzählte sie strahlend vom Kindergarten und wollte ständig wieder hin. Darauf, dass sich das bald ändern könnte, war ich gar nicht gefasst …
Phase 2: Trennen wir uns jetzt wohl jeden Tag? – Nein, Mama!
Ab dem neunten Tag merkte ich schon morgens, dass etwas anders war. Nora zögerte das Anziehen, Wickeln, Frühstücken, Zähne putzen – einfach alles – hinaus. Und sagte, sie wolle daheim bleiben, nicht in den Kindergarten gehen. Ich redete ihr gut zu. Konnte sie mit ihren neuen Freunden und den Puppen etwas locken. Innerlich wurde ich schon unruhig und überlegte, was ich machen würde, wenn ihr Widerstand größer, vehementer würde. Würde ich nach geben? Im Ohr hatte ich natürlich die Aussagen der Erzieherinnen, dass es die ersten Wochen wichtig ist, jeden Tag zu kommen und als Mama keine Unsicherheit auszustrahlen.
Vor Ort wollte Nora schon nicht rein und die Treppe hoch gehen. Ich blieb dann beim Spielen etwas länger bei ihr und versuchte mich vorsichtig in den Hintergrund zu setzen. Immer wieder kam sie zu mir auf den Schoß. Beim Verabschieden weinte sie dann zum ersten mal. „MAMA. Nicht gehen.“ Ich übergab sie der Erzieherin auf den Arm und ging. Mein Herz klopfte wie wild. Alles in mir rebellierte. Vor der Tür wartete ich dann, mit meinen Tränen kämpfend. Zum Glück weinte Nora nur zwei bis drei Minuten. Ich weiß nicht, was ich sonst gemacht hätte. Wobei die Erzieherinnen mich bestimmt rein geholt hätten, wenn sie Nora nicht hätten trösten können. Nach ein paar Minuten gab mir dann eine Erzieherin Bescheid, dass Nora sich gut beruhigt hatte und munter spielte. Ich fuhr nach Hause und schon auf dem Weg war mir klar: da ist ganz viel alter Schmerz in mir, der raus möchte.
Daheim machte ich mich also an meine Aufgabe. An meine Chance. Ich ließ den Tränen, dem Schmerz, der Trauer und Verzweiflung freien Lauf. Sofort kamen Bilder aus meiner Babyzeit, als ich mit gebrochenem Arm alleine im Krankenhaus liegen musste. Ja, das war damals so brutal. Meine Mutter durfte mich immer nur ganz kurz mal besuchen. Unglaublich. Meine Verlustangst war unendlich groß. Unverständnis. Ich durch fühlte alles. Im Atmen liebevoll bejahend, aber auch beobachtend – nicht damit identifiziert. Und die Energien begannen zu fließen, innerer Friede kehrte ein. So durfte ich nach fast 40 Jahren ausgelöst durch den Trennungsschmerz meiner Tochter meine eigene Verlustangst aus dieser traumatischen Situation heilen. Ich bin immer wieder platt, wie das Leben uns, wenn wir bewusst und aufmerksam genug sind, solche Möglichkeiten bietet.
Außerdem finde ich es erstaunlich, dass ich mich gerade in den Tagen zuvor intensiv mit Methoden zur Auflösung von altem Schmerz für meine Beratungstätigkeit befasst habe. Prompt durfte ich an mir selbst üben und Heilung erfahren. Wow! Danke dafür!
Phase 3: Wir meistern das und sehen das Positive
Am nächsten Tag weinte Nora erneut bei der Verabschiedung. Und ich wieder vor der Türe. Eine Freundin, deren Sohn mit in Noras Gruppe ist, sagte dann folgendes zu mir „Das ist gut so Tina. Das zeigt eure intakte, tiefe Bindung. Das geht vorbei. Alles andere wäre eher bedenklich.“ Und da erinnerte ich mich an das, was ich sonst meist schaffe mir selber klar zu machen. Jede Situation hat etwas Positives, einen Sinn. Ich spürte tief, dass ich meine Einstellung zu unseren Abschieds-Tränen ändern musste. Ich fokussierte mich auf das Positive, darauf dass der Trennungsschmerz unsere gute Bindung zeigt und konnte so auch ins Annehmen kommen. „Alles was gerade ist, darf sein“ – das gilt für Nora und für mich. 😀 Den Widerstand aufgeben – das befreit und tut so gut.
Seit ein paar Tagen klappt die Verabschiedung nun immer besser. Ohne Tränen, noch mit einem kleinen, kurzen traurigen Blick. Dann legt Nora aber mit ihrem sonnigen Gemüt sogleich mit dem Spielen los. Der Ablösungsprozess arbeitet nach wie vor in uns beiden und wird es auch noch eine Weile tun. Das ist okay. Wir reden viel darüber und brauchen auch beide viel Ruhe und Schlaf.
Eine neue Zeit in unserer Beziehung bricht an. Innere Verbundenheit und zunehmende, äußerliche Selbständigkeit schließen sich ja zum Glück nicht aus …